Glasperlenspiel – ein Interview mit Astrid Ule (The Night Garden)
Wir lassen es baumeln mit wunderschönen Ohrringen aus Vintage Glasperlen. Eine besondere Geschenkidee zum Advent.
Glasperlenspiel, die Überschrift zum Blogbeitrag verrät nicht nur, dass ich ein Hermann Hesse Fan bin („Unterm Rad“ war mein prägendes Lese-Erlebnis), sondern auch, dass ich Ohrringe liebe. Ich habe sie in allen Farben, Formen und Größen, seitdem ich stolz wie Bolle aus dem Laden gewankt bin, der meine Ohren mit Löchern versehen und damit langfristig verschönert hat. Von Ohrringen kann man nie genug haben, so meine Meinung. Daher lege ich euch heute die besonderen Schmuckstücke von Astrid Ule ans Herz.
In meinen 20ern konnten meine Ohhringe nicht dramatisch genug sein und auch in meinen 30ern sind sie nur marginal dezenter. Kleine und große Perlen baumeln mir quasi ständig um den Kopf. Ganz klar, ohne Ohrringe kein komplettes Outfit. Kein Wunder also, dass ich auf dem Flohmarkt der Novilla vom Stand „The Night Garden“ mit den Glasperlen magisch angezogen wurde. Ich konnte mich nicht sattsehen. Hinter diesem Shop verbirgt sich Astrid Ule aus Schöneberg die alten Glasperlen ein neue Form gibt und sie zusammen mit Inga aus Schöneweide in die Welt bringt. Ein Schöneberg-Schöneweide-Projekt, das zusammen den wirklich schönen Schmuck (zu mehr als fairen Preisen) verkauft. Das Besondere daran, dass je nach Art der Glasperle (aus Afrika, Japan, Tschechien etc.) jedes Ohrringpaar einen ganz unterschiedlichen Stil verströmt.
Meine Favoriten sind übrigens: Murano Creolen mit Perini Perlen und die zarten Bergkristallkugeln.
Perlen mit Geschichte. Wir wollten mehr wissen über die Besonderheit des Vintage-Schmuckes und dachten das interessiert nicht nur uns, sondern auch Euch und wer kann zu dieser Zeit nicht eine besondere Geschenkidee brauchen? Genau!
Wir haben daher mit Astrid ein Interview geführt und dabei viel Interessantes über die Herkunft und Geschichte von Glasperlen erfahren. Und irgendwie schaffen wir sogar auch wieder den Bogen von den Glasperlen zum Buch, denn Astrid schreibt hauptberuflich Krimis.
Was verbirgt sich hinter dem Shop The Night Garden?
Unter dem Namen „The Night Garden“ ist unser Shop über Dawanda als auch auf Facebook zu finden. Ich habe den Shop so genannt, weil ich finde, Ohrringe sehen aus wie ans Ohr gesteckte Blüten. Echte Blüten schließen sich, wenn es dunkel wird, aber Schmuck funkelt nachts um so mehr.
Shopinhaberin bei DaWanda ist mikoko (also ich, Astrid Ule): Bei mir gibt es neuen Schmuck, gemacht aus alten Perlen. Ich fasse sie in Messing (meist aus alten Lagerbeständen), Kupfer und auch Silber. Vorwiegend Ohrringe, aber auch nostalgische Ketten, Medallions und Armbänder, das meiste ist für Nickelallergiker geeignet.
Meine „Außenministerin“ Inga aus Schöneweide steht für mich auf Flohmärkten und Kunsthandwerksmärkten und inspiriert mich immer wieder mal mit neuen Schmuckideen, vor allem Richtung Gothic.
Ansonsten verkaufe ich auf meinem Online Shop „The Night Garden“ bei Dawanda. Bis zum 23.12. gibt es online speziell dort für Megaschöneweide-Blogleser 15% Rabatt! Einfach beim Bestellen den Rabattcode „Kennenlernrabatt“ angeben.
Wie kamst Du dazu alte, besondere Glasperlen – zu suchen, finden und aufzuarbeiten?
Begonnen hat alles damit, dass ich meinen eigenen Schmuck reparierte und irgendwann anfing umzuarbeiten: aus einer gerissenen Kette wurden die ersten Ohrringe. Seitdem gehöre ich zu den wenigen Frauen, die sich freuen, wenn sie kaputten Schmuck geschenkt kriegen!
Neben Vintage-Glasperlen, die ich irgendwann anfing zu sammeln, weil sie so schön sind, verarbeite ich auch Halbedelsteine, Süßwasserperlen und diverse Korallen – ebenfalls aus alten Lagerbeständen. Für meinen Schmuck müssen also keine Perlen und Korallen neu geerntet werden. Das trägt vor allem bei Koralle ein bisschen zum Erhalt der Art bei.
Studiert habe ich Ethnologie und Design. Von der Ethnologie habe ich die Faszination für andere Kulturen und Zeiten, die mich immer wieder auf neue Schmuckideen bringt. So entstanden auch meine Totenkopfohrringe, die ja ein bisschen aus dem sonstigen Rahmen fallen. Sie sind eine Hommage an die kunterbunten Sugar-Skulls des mexikanischen Tags der Toten, dem Dia de los Muertos. Die sind immer rund um Halloween gefragt. (Link)
Ich mag den Reichtum fremder Kulturen, ferner Länder, vergangener Zeiten, exotischer Rituale.
Mich inspiriert ganz stark die Herkunft der alten Glasperlen. Ich glaube, dass Glas neben Metall das Material war, was die Menschen wegen Glanz und Formbarkeit immer am meisten fasziniert hat. Kein Wunder, dass Glasperlen schon früh als Geldersatz eingesetzt wurden, überall, wo sich noch kein Münzgeld etabliert hatte wie im frühen Amerika oder in Teilen Afrikas. Heute sind unsere Münzen mit Nummern geprägt, damit wir wissen, was sie wert sind, aber ich stelle mir gern vor, dass der Wert einer Handvoll Glasperlen damals reine Verhandlungssache war. Je nachdem, wie sie dem Gegenüber (oder seiner Frau) gefielen, waren sie ihm ein, zwei oder drei Pelze wert.
Was ist das Besondere an alten Glasperlen und gibt es da große Unterschiede? Auf deinem DaWanda Shop bietest Du Tradebeads, Millefiori, Lampwork und Murano an. Was ist das jeweils Besondere an diesen Glasperlen?
Das Wissen der Glasmacher von Venedig, wo die schönsten Perlen herkommen, war so kostbar, dass sie im Mittelalter das Land nicht mal verlassen durften. Ganze Glasmacherfamilien sind deshalb von den Holländern entführt worden, um das Monopol zu brechen. Mit Erfolg. Die besten Glasperlen stammen noch immer aus Murano, der Glasmacherinsel vor Venedig. (Inzwischen kommen viele angebliche „Muranoperlen“ aus China).
Echte handgemachte Glasperlen werden über einem Brenner gedreht, aus flüssigem Glas, das in mehreren Farben und Schichten hinzugefügt und evtl. noch gezogen, geformt oder verziert wird. Diese Methode nennt man Lampwork, und sie verlangt volle Konzentration (ich hab’s ausprobiert!).
Die berühmtesten unter ihnen sind die italienischen Millefioriperlen, denen am Ende noch kleine bunte Ornamente (Murrinen) aufgeschmolzen werden, die vorher extra angefertigt wurden. (Link)
Bekannt sind auch die Chevronperlen, die aus bis zu 8 Lagen verschiedenfarbigem Glas bestehen und am Ende so beschliffen werden, dass alle Lagen im sternförmigen Querschnitt zu sehen sind. (Link – z. Zt. ausverkauft)
Sie sind wie so viele venezianische und tschechische Perlen, beliebte Tradebeads (Handelperlen) im afrikanischen Raum gewesen (Link).
Die frühen industriellen formgepressten Perlen aus Tschechien sind ganz anders, ich finde vor allem ihre Farben faszinierend, solche findet man heute kaum noch. Dort gibt es eine lange Glasmacher-Tradition, auch für Stickereiperlen, Glasknöpfe und mehr. Die alten Vorlagen, viele in Form von Blumen oder Tieren oder mit vergoldeten Reliefs, werden teilweise bis heute benutzt (Link).
Auch aus Japan kommen wunderschöne alte Glasperlen. Nach 1945 hat sich dort eine Industrie entwickelt, die 30 Jahre in alle Welt exportiert hat, mit allerhöchster Qualität und ganz tollen Designs. Eines davon war damals bei den Hippies der Hit: Tombo – ein Muster ähnlich wie Millefiori. Man erkennt es daran, dass es von fern wie Blümchen aussieht, die aber aus der Nähe betrachtet völlig abstrakt sind (Link).
Mit dem Aufkommen von Plastikperlen in den Siebzigern sind viele der alten Glasperlenfabriken, auch in Deutschland übrigens, eingegangen. Auch die amerikanischen Messingfabriken, die nur für Modeschmuck produzierten, hat es dann erwischt, heute wird für Modeschmuck eher nicht mehr so stabiles, hochwertiges Messing verwendet, außer von mir ;).
Aber ihre Produkte findet man heute noch, auf Flohmärkten, in alten Lagerhäusern und im
internationalen ebay. Für mich erzählt jede dieser alten Stücke eine Geschichte, und die versuche ich im
Schmuckdesign aufzugreifen, wenn ich überlege, was ich womit kombiniere. Deshalb gebe ich auch immer an, wie alt die Perlen sind und woher sie stammen, wenn ich das in Erfahrung bringen kann. Ich arbeite bestimmt zu 90% mit Vintage-Perlen. Da es die immer nur in kleinen Mengen gibt, sind die meisten meiner Ohrringe Unikate oder Kleinserien oder Sonderanfertigungen. Meine Freundinnen wissen schon, was ich zu besonderen Gelegenheiten immer mitbringe …
Was machst Du sonst so wenn Du gerade keinen Schmuck entwirfst?
Im „normalen Leben“ bin ich Autorin und schreibe düstere Krimis mit meinem Co-Autoren unter dem Namen Ule Hansen. Der erste, „Neuntöter“, ist 2016 bei Heyne erschienen. Besonderen Spaß hat es gemacht, die ungewöhnlichen Berliner Tatorte für die Geschichte zu recherchieren – die sind alle echt und wir haben sie selbst ausgekundschaftet! Die Fortsetzung „Blutbuchen“ erscheint im Mai 2018.
In meinem Job sitze ich viel am Bildschirm, und das Schmuckmachen ist ein guter Ausgleich. Naja, vielleicht nicht für den Rücken, aber für den Kopf 😉 Ich denke dann anders, sehe die Dinge anders, mehr in Bildern, während ich sonst mit Worten arbeite. Es hilft, wenn ich irgendwo feststecke. Gern werde ich dabei von meinen zwei Katzen beobachtet, die genau wie ich leuchtende Augen kriegen, wenn irgendwo was glitzert und funkelt.
– das Interview führte Leo, die Fotos sind von Astrid Ule –
Mandy Geddert
9. Dezember 2017 at 9:02Wow, echt toll! Ich mag vor allem die Idee aus Altem etwas Neues zu machen.
Megaschoeneweide
13. Januar 2018 at 11:39Ja, das finden wir auch das Tolle daran!